Göttingen-Studenten,Philister,Professoren und Vieh

1819 nimmt Heinrich Heine sein Jurastudium an der Universität Bonn auf. Heine ist ein schlechter Student, so schicken ihn seine Eltern zum Wintersemester 1820/21 an die Universität Göttingen.

Doch der hoffnungsvolle Wechsel findet ein jähes Ende. Wegen eines Duells mit einem Studenten, der ihn wegen seines Judentums beleidigt hat, wird Heine der Universität verwiesen. Er geht 1821 nach Berlin und kehrt erst 1824 zum Examen nach Göttingen zurück. Im Juli 1825 wird er zum Doktor der Rechte promoviert.

 

Man kann also nachvollziehen, dass der junge Jurist zu Göttingen nicht das beste Verhältnis hat. Das spiegelt sich vor allem in den sarkastischen Bemerkungen, mit denen er den einschlägigen Abschnitt in seiner „Harzreise“ schmückt. Die Stadt Göttingen sei „berühmt für ihre Würste und Universität“, ihre Bewohner würden eingeteilt in „Studenten, Professoren, Philister und Vieh“. Darunter sei der „Viehstand … der bedeutendste“. In einem Gedicht reimt er: „Zu Göttingen blüht die Wissenschaft, / Doch bringt sie keine Früchte. Ich kam dort durch in stockfinstrer Nacht, / Sah nirgendswo ein Lichte.

 Zum Schluss schrieb er : „Die Stadt … gefällt einem am besten, wenn man sie mit dem Rücken ansieht.“

Osterode - Stadt der Fachwerkhäuser

Im September des Jahres 1824 verließ der lustlose Student  Göttingen durchs Weedner Tor zu Fuß in Richtung Norden. Das Leben in der Provinz des "gelehrten Kuhstalls" Göttingen war ihm unerträglich geworden; und so lief er einfach davon. Das Ziel der Reise war indes nicht die Südsee, sondern der nahe gelegene Harz.

 

Nach einem Zwischenstopp in Northeim ist sein erstes Ziel Osterode. Osterode zeigt sich trotz wechselvoller Geschichte in nostalgischer Fachwerkpracht; die verbundgepflasterte Fußgängerzone ist nach Geschäftsschluss mausetot, doch tagsüber boomt es in den Gassen. Das Haus am Marktplatz, in dem Heine "müde wie ein Hund" zu Bett sank, steht noch immer. Heute befindet sich darin eine Ladengalerie, deren postmoderne Scheußlichkeit wegen der original erhaltenen Fassade kaum ins Gewicht fällt.

 

Heine schreibt:

„In pechdunkler Nacht kam ich an zu Osterode. Es fehlte mir der Appetit zum Essen, und ich legte mich gleich zu Bette. Ich war müde wie ein Hund und schlief wie ein Gott. Im Traume kam ich wieder nach Göttingen zurück, und zwar nach der dortigen Bibliothek. Ich stand in einer Ecke des juristischen Saals, durchstöberte alte Dissertationen, vertiefte mich im Lesen, und als ich aufhörte, bemerkte ich zu meiner Bewunderung, dass es Nacht war, und herabhängende Kristallleuchter den Saal erhellten. ..........

 

.....Diese Stadt hat so und so viel Häuser, verschiedene Einwohner, worunter auch mehrere Seelen, wie in Gottschalks »Taschenbuch für Harzreisende« genauer nachzulesen ist. Ehe ich die Landstraße einschlug, bestieg ich die Trümmer der uralten Osteroder Burg. Sie bestehen nur noch aus der Hälfte eines großen, dickmaurigen, wie von Krebsschäden angefressenen Turms. Der Weg nach Klausthal führte mich wieder bergauf, und von einer der ersten Höhen schaute ich nochmals hinab in das Thal, wo Osterode mit seinen roten Dächern aus den grünen Tannenwäldern hervorguckt wie eine Moosrose.“

Kaiserstadt Goslar

"Die Berge wurden steiler, die Tannenwälder wogten unten wie ein grünes Meer, und am blauen Himmel oben schifften die weißen Wolken." Soweit der romantische Blick. Tausend Jahre Harzer Bergbau hatten schon damals längst ihre Spuren hinterlassen; die ursprünglichen Mischwälder waren alle abgeholzt; und für den riesigen Bedarf im Bergbau und bei der Erzverhüttung wurden Monokulturen schnell wachsender Tannenbäume angelegt. Das ist bis heute so geblieben.

Die nächste Station der Wanderreise ist die alte Kaiserstadt Goslar. 

Den Dichter ließ die Stadt eher kühl. Zu jener Zeit war sie allerdings stark heruntergekommen; den in Heines Reiseführer noch ausführlich beschriebenen Dom hatte man kurz zuvor abgebrochen und die Steine als Baumaterial verkauft. "Ich fand ein Nest mit meistens schmalen, labyrinthisch krummen Straßen,... verfallen und dumpfig, und ein Pflaster, so holprig wie Berliner Hexameter." schrieb er.

Heutzutage zeigt die Stadt sich als von ihren Bewohnern liebevoll herausgeputztes Fachwerkjuwel. Altdeutsche Idyllik ohne Disney-Atmosphäre und noch ohne den Rummel von Heidelberg oder Rothenburg.